Was als Erstes auffällt ist die Temperatur. In den letzten Wochen war es hier immer um die 30 °C warm. So auch am Tag unserer Ankunft. Wie wir später erfahren werden, befinden wir uns mitten in einer Dürreperiode.
Mit müden Augen fahren wir Richtung Great North Road. Die Erde ist rot und sandig. In der Luft liegt ein Geruch von verbranntem Plastik.
Die Great North Road ist eine ein- bis zweispurige Straße, mit Huckelstreifen neben der Fahrbahn. Sie ist chronisch überbelastet. Das führt dazu, dass nicht nur Geländewagen, sondern auch Limousinen und Busse auf dem Huckelstreifen ihren Unterboden kraulen und die Federn dehnen, um schneller ans Ziel zu gelangen.
Die meisten Busse sind Vans, die mit Sitzbänken voll gerammelt wurden. Hier finden mit viel Körperkontakt bis zu 25 Leute Platz. Bezahlt wird, wenn man im Bus sitzt. Man reicht die entsprechende Summe durch die sitzenden Personen bis zum Kassierer durch, der oft an der Schiebetür steht und nach draußen pfeift, um neue Fahrgäste anzuwerben. Er weiß auch, wann ein Fahrgast aussteigen will und klopft an entsprechender Stelle mehrmals an die Wand. Mit diesen Bussen fahren wir täglich zur Arbeit. Für 10 Kwacha (30 Cent) sind wir nach einer guten halben Stunde und ungefähr 7 Kilometern später an unserem Arbeitsplatz. Dabei hat man ab und zu durchaus Angst, dass der Bus gleich seitlich umkippt. Als Ausgleich dafür führt man auf vielen Fahrten nette Gespräche oder sorgt für einen Lacher, weil man sich weigert mehr als 10 Kwacha zu bezahlen und der Kassierer auf Nyanja den anderen Fahrgästen mitteilt, dass er nicht auf Englisch diskutieren will.
Während wir uns unserem Ziel nähern, nimmt die Umweltverschmutzung immer weiter zu. Am Straßenrand sieht man viel Müll, vor allem Plastikflaschen. Auf dem Boden sitzend, werden unter kleinen Holzverschlägen Lebensmittel verkauft. Schwarze Hügel von verbranntem Müll lassen einige Schwaden ihres üblen Rauches ab. Menschen schlängeln sich zwischen den im Stau wartenden Autos hindurch und bieten Getränke, Obst, Streetfood, Sonnenbrillen und Ladekabel an.
Neben der Straße stehen unzählige kleine Buden, die mit „Airtel“ beschriftet sind. Airtel ist der sambische Marktführer im Bereich Telefonie. Der Empfang des Mobilfunknetzes ist dürftig ausgebaut. Über seine Handynummer kann man hier nicht nur telefonieren und Geld senden, sondern auch die Stromrechnung und sogar Steuern bezahlen.
9Miles along Great North Road – das ist die Adresse des Hauses, die wir vorab bekommen haben. Genauer lässt es sich tatsächlich auch nur mit Koordinaten (-15.282984, 28. 279102) beschreiben. Hier gibt es keine Müllabfuhr, geschweige denn Post. Der gesamte Müll wird entweder im Garten oder auf der Straße verbrannt. Unser Grundstück ist von einer großen Mauer umgeben, die mit Stacheldraht gesichert ist. Vor unserem Haus befindet sich ein großer, gepflasterter Platz, der sich ganz gut zum Fußballspielen eignet. Das Leitungswasser kommt aus einem Wasserturm, der höher als das Haus gebaut wurde, um den Wasserdruck aufrechtzuerhalten. Auch wenn man uns versichert hat, dass es sonst oft Strom geben würde, hatten wir in den letzten zwei Wochen immer nur durchschnittlich eine Stunde Strom mitten in der Nacht.
In den folgenden Tagen begannen wir, die Bewohner des Hauses zu verscheuchen. Wir führten eine epische Schlacht gegen eine Armada von großen Kakerlaken, die bis heute nicht ganz entschieden ist. Eine mächtige, weiße, pelzige Spinne sorgte am ersten Abend fast für einen Sieg der Insekten. Mit letzter Anstrengung schafften wir es, sie unter einer Waschschüssel vorerst unschädlich zu machen. Neben Skorpionen gehören diese weißen, eigentlich ungefährlichen Walzenspinnen zu den unheimlichsten Tieren, die wir hier bisher gesehen haben. Es soll aber wohl auch größere Schlangen geben.
Ein paar Jugendliche, sowie ein Mann aus dem Dorf kommen regelmäßig auf unser Grundstück, um zu spielen oder sich zu unterhalten. Einen Wecker brauche ich hier nur selten, da ich von lautem Rufen, Pfeifen und Klopfen an unser Metalltor geweckt werde. Von den Dorfbewohnern lernen wir grundlegende Tricks der sambischen Lebenswese. Mittlerweile wissen wir, wie man die Kohle in einem Blazer mit Plastik und Stöckern zum Glühen bringt, Wäsche mit der Hand wäscht, und Nshima, einen Maispamps, mit Chibwabwa (Kürbisblättern) zubereitet. Auch Kartenspiele und einige Wörter Nyanja gehören durch sie bereits zu unserem Repertoire.
„Muzungu“ ist ein Wort, was wir hier oft hören, vor allem von Kindern. Es heißt „Weißer“. Wenn wir daraufhin mit „Muli Bwanji“ (How are you?) antworten, sind die Leute kurz ein bisschen erstaunt, freuen sich und antworten zurück mit „Bwino Bwanji“ (I am fine, how are you?). Die Menschen, mit denen wir es hier bis jetzt zu tun hatten, sind alle sehr freundlich. Auf unserem fünfzehnminütigen Weg zur großen Straße sagen wir bestimmt ein Dutzend Mal „Muli Bwanji“ und werden fast genauso oft „How are you“ oder „Muli Bwanji“ zurückgefragt.
Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass es hier ab 18:30 Uhr stockfinster ist, aber die Tage vergehen sehr schnell. Wir erleben so unglaublich viele spannende Dinge, dass es sich anfühlt, als wären wir schon ein halbes Jahr hier.
Ab und zu habe ich Heimweh. Vor allem vor ein paar Tagen, als ich eine ziemlich quälende Typhoid-Infektion hatte, die nur mit mehreren Tagen Antibiotika-Therapie bekämpft werden konnte. Weil ich finde, dass dieses Gefühl auch in diesen Blog gehört, soll es darum beim nächsten Mal gehen.
Bis dahin erstmal vielen Dank fürs Lesen. <3