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Ein ganz normaler Tag

30. Januar 2025

Dienstag, 28.01.2025, 07:20 Uhr

Der Handywecker klingelt. Meine Schaumstoffmatratze hat auch keine Lust mehr auf mich, sie ist so dünn geworden, dass ich fast mit dem Lattenrost Bekanntschaft mache. Ich öffne das Mückennetz und stolpere aus meinem weißen Zelt. Halbwach in die Küche. Da sitzt Tillman schon. Nicht ansprechbar. Milch, Haferflocken, ein Löffel Erdnussbutter. Zurück ins Zimmer und anziehen. Ich wache langsam auf. 

9Miles Weg

„Mwauka Bwanji?“ (Guten Morgen, wie geht’s?)

„Bwino Bwanji?“ (Gut, und dir?)

„Bwino.“ (Gut.)

Auf dem Weg durch 9Miles, oder auch unser „Dorf in der Stadt“, wie wir es nennen, vergeht kein Morgen, ohne dass wir diese kurze Konversation nicht mindestens ein halbes Dutzendmal geführt haben. Während wir durch ein Maisfeld laufen rufen uns Kinder „Mazungu!“ hinterher, was so viel heißt wie „weiße“. Ich trage mein blaues ASC T-Shirt, eine Trainingshose, weiße Sneaker und eine beigefarbene Cap. Bis zur Hauptstraße laufen wir eine Viertelstunde.

9Miles Weg Gruppe

Um 08:20 Uhr warten wir an der Hauptstraße. Nach wenigen Minuten fährt ein Bus vorbei. Der Beifahrer pfeift uns an und wir signalisieren, dass wir mitfahren wollen. Der Bus ist voll, trotzdem quetschen wir uns hinein und finden schließlich einen Platz. „Muyenda kuti?“ (Wohin wollt ihr?) fragt der Beifahrer, „SOS“ antwortet ihm Tillman, während er ihm jeweils 10 Kwacha von mir und ihm in die Hand drückt. „Oke“, antwortet er.

Bus Lusaka

Angekommen, laufen wir an einem langen Bretterverschlag vorbei, unter dem in kleinen Käfigen etwas lädierte Hühner verkauft werden. Der Gestank ist nicht gerade angenehm, weswegen ich ganz links am Straßenrand laufe. Am Tor der „Hermann Gmeiner SOS“ Grundschule wieder:

„Mwauka Bwanji?“

„Bwino Bwanji?“

„Bwino.“

Wir laufen über den Sportplatz zu den Gebäuden der Grundschule. Ein paar Kinder kommen uns entgegengelaufen und rufen: „Tillman! Jacob!“. Wir geben ein paar High Fives, bis wir beim Computerraum der Schule angelangt sind. Diesen haben wir bis jetzt nur in der Funktion als Büro des Senior Teachers erlebt, der uns sagt, dass wir heute die sechsten Klassen in Raum sieben, acht und neun haben. Der Studenplan, den wir in den letzten 2 Wochen mit ihm erarbeitet haben, konnte wegen Loadshedding (geplanter Stromausfall) leider noch nicht gedruckt werden. Es ist unsere erste richtige Arbeitswoche. Im Dezember waren Ferien. Die ersten zwei Januarwochen haben wir mit der Planung verbracht.

Use Condom

Raum sieben ist direkt um die Ecke. Die Lehrerin teilt uns mit, dass wir ihre Klasse erst in 10 Minuten abholen sollen. Wir setzen uns also für ein paar Minuten ins Lehrerzimmer. „Wir müssen los…“, sagt Tillman. „Jo!“, wir gehen wieder zum Klassenraum. „Everyone line up!“, es herrscht große Aufregung. „Do we play football today?“, fragt mich ein kleiner Junge. „No, but we have another nice game for you.“, antworte ich. Die Schlange setzt sich angeführt von Tillman in Richtung Sportplatz in Bewegung. 

Sportplatz SOS

„My name is Tillman. Everyone repeat!“

„Tiemann!“

„And this is Jacob.“

„Jacob!“

„Before we start, we have one basic rule. If we speak, you listen. Because otherwise you will not understand what we do and ask a lot of questions and then we can‘t play. If you listen we will have a lot of fun. Okay?“ erklärt Tillman zu Beginn.

„Okay!“

Er übergibt die Moderation an mich:

„Today we‘ll start with something old and continue with something new. The something old is „I catch the ball“, I suppose you know it already. You just repeat what I do and say, after me. And as this is the first „I catch the ball“ in 2025 weeks need to make it epic, okay?“

„Okay.“

„Are you ready?“

„Yes!“

„Are you ready?!“

„Yeees!

„Are! You! Ready!?“

„Yeeeeeessss!!!“

„III catch the ball! …

SOS Gruppenaufwärmung

 Nach dieser kleinen Aufwärmübung spielen wir noch das in Deutschland sehr bekannte Fangspiel „Hundehütte“. Es folgt „Feuer, Wasser, Sturm“ und das sambische Spiel „Do like I do!“, bei dem die Gruppe im Kreis steht und eine Figur nachahmt, die eine Person in der Mitte des Kreises vormacht.

Wir bemerken, dass es beginnt zu regnen. Ich nehme mich als nächste Person dran und gehe in die Mitte des Kreises: 

„Do like I do!“ 

„I do! I do!“

„Do like I do!“ 

„I do! I do!“

„I dooo this!“ Ich blicke hoch zum Himmel während ich meine Augen mit einer Hand abschirme.

„And I doo this!“ Ich renne los in Richtung Schulgebäude. „Back to class, the rain starts!“, die Kinder schreien und laufen mir hinterher. 

Rennende Kinder

Der Regen hält an und die nächsten zwei Klassen müssen sich mit „Hangman“, „Menschenmemory“ und „Montagsmaler“ im Klassenraum zufriedengeben. Es wird mehr als einmal sehr laut und wir verlieren die Kontrolle über die Klasse. Etwas erschöpft gehen wir um 11:40 Uhr zum Senior Teacher und wollen uns abmelden. Er teilt uns noch kurz mit, dass wir morgen nicht da sein brauchen, weil er vergessen hat den entsprechenden Klassen zu sagen, dass sie in Sportkleidung erscheinen soll.

Auch wenn der Sportunterricht viel Energie kostet, geben einem die Kinder diese mindestens zweifach zurück. Ich habe echt das Gefühl, dass sie viel Spaß in unseren Stunden haben und ihnen die Vorfreude auf die nächste Stunde die Schulzeit etwas schöner macht.

Wir laufen durch den leichten Regen zur Novare Great North Mall und holen uns bei Shoprite Mittagessen. Ich hole mir zwei Samosas, zwei Butterbrötchen und vier gebackene Auberginenscheiben, die ich später auf die Brötchen lege, für 40 Kwacha (1.30 €). Um 12 Uhr rufe ich mir ein Taxi und fahre zur Internationalen Schule Lusaka um dort an der Orchesterprobe teilzunehmen. Das Schulorchester wird von einer ambitionierten japanischen Lehrerin geleitet. Es spielt allerdings längst nicht auf dem Niveau meines Blasorchesters in Kleinmachnow. Einen Großteil der Probe verbringe ich tatsächlich auch mehr damit, ein paar Kindern zu zeigen, wie man Klarinette spielt. Trotzdem bin ich nach der Probe immer ein bisschen euphorisiert und pfeife den restlichen Nachmittag irgendwelche Orchesterstücke vor mich hin.

Shoprite Novare

Danach fahre ich noch zum Krankenhaus, um meine Wirbelsäule scannen zu lassen. Ich bin im Urlaub auf Sansibar im flachen Wasser dummerweise auf meinen Kopf gesprungen. Nach 3 Stunden erfahre ich, dass mit den Knochen alles in Ordnung ist und ich nur ein muskuläres Trauma im oberen Rücken habe.

Klarinette ISL

Um 20:10 Uhr bin ich wieder zu Hause. Tillman arbeitet etwas gestresst daran ein paar Bratkartoffeln für das Abendessen zu produzieren. „Haben wir Eier?“, frage ich ihn. „Ja, aber wenn du welche haben willst mach sie dir selber.“, antwortet er mir, während er raus zum Brazer läuft. Ich nehme es ihm nicht übel, wahrscheinlich war sein Tag genauso anstrengend wie meiner. Wir haben Strom und er kocht gleichzeitig auf dem Elektroherd drinnen und der Kohle vor dem Haus. Die Bratkartoffeln schmecken lecker, mit den Spiegeleiern, die ich für alle mache, sogar noch besser.

Bett mit Mückennetz

Um 23:30 Uhr öffne ich den Reißverschluss zu meinem Mückennetz, lese noch ein paar Minuten „Verlorene Illusionen“ und mache um halb eins das Licht aus.  

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